PRESSE
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Heinz Bornemann (59), dienstältester
Regisseur der Nachrichtensendungen der ARD
Der Bentheimer, der über die Nachrichten der Welt„regiert“
Seit 20 Jahren verantwortlich hinter den Kulissen der Tagesschau der ARD
Heinz Bornemann und Ulrich Wickert in der Vorbereitung
zur Sendung.
Die beiden verstehen sich. Das Team ist alles
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Ich werde oft gefragt, was macht eigentlich
ein Regisseur bei der Tagesschau. Nun, er ist verantwortlich für den pannenfreien technischen Ablauf der Sendung. Da es keinen Redaktionsschluss gibt, muss der Regisseur zusammen mit dem Studiopersonal, laufend auf aktuelle Änderungen blitzschnell reagieren. Eine spannende, aufregende Tätigkeit für Nervenstarke.“ |
Sein Markenzeichen sind die
Jeans. Einmal hat er sie nicht getragen: Beim Besuch der Prinzessin Diana im Studio der Tagesschau der ARD in Hamburg. Da beugte sich sogar Heinz Bornemann dem königlichen Protokoll. Der mit 59 Jahren dienstälteste Regisseur der Nachrichtensendungen lebt seit Jahrzehnten mit der Uhr im Nacken. Stress hoch drei. Schichtdienst. Verantwortlich für den technischen Ablauf, Kameraeinstellungen, Licht, Ton und Fremdschaltungen in alle Welt. Redaktionsschluss gibt es nicht. Das Team geht über alles, bestimmt mit den Anfangszeiten der Nachrichtensendungen gar den Rhythmus der Nation. |
Von Peter Roeder Hamburg. Oh ja, in Bad Bentheim kennen sie ihn noch: den Bengel von der Freilichtbühne, der mit seinem väterlichen Freund und Mentor Ernst Hellendoorn die berühmte Musikbude aufgebaut hat. Den Filmvorführer in der Filmbühne in der Schloßstraße, der zum Schrecken der Erwachsenen immer Rock-’n’-Roll-Platten auflegte. Den sauschlechten Schüler der Mittelschule. Den Katastrophen-Sportler, der die letzten Meter eines Wettlaufes immer schlendernden Schrittes unter seine Füße nahm, zum großen Gaudi der Zuschauer. Der Partygänger mit eigenem Plattenspieler auf Abzahlung. Den Filmemacher mit einer eigenen Schmalfilmkamera, damals eine Sensation. Der Weltmann, der im Café Landsmann so manches Bier vernichtete. Tolle Zeit für einen jungen Mann. Kompliment an dieser Stelle an Lehrer Siegfried Schulz. Er hat mit seinem Deutschunterricht viel dazu beigetragen, dass das Interesse des technisch sehr begabten Jungen für das Theater im allgemeinen und für eigene Werke schon damals mehr als nur geweckt wurde. Und schon in den 50er Jahren reifte in dem jungen Mann der Wunsch heran, unbedingt zum Rundfunk gehen zu wollen. So war es logisch, eine Lehre als Fernsehtechniker zu machen bei der Firma Hesselink in Nordhorn. Die beiden anderen Lehrlinge waren Werner Mers und Arnold Vogel. Von beiden hat Heinz Bornemann nichts mehr gehört. Nach der Lehre ein Jahr bei Radio Bartoschek in Bad Bentheim, dann zu den Blaupunkt-Werken nach Hildesheim. Und schon 1962 ging sein großer Jugendtraum in Erfüllung: Der NDR in Hamburg stellte ihn als Bildtechniker ein. Dann schickten sie ihn durch die Nachrichten-Schrubbe. Zehn Jahre lang Dienst auf einem Übertragungswagen. Rund um die Uhr. Grubenunglück in Lengede. Adenauer-Beerdigung in Köln, Kennedy-Besuch in Berlin, die großen Showsendungen mit Chris Howland und Hans Joachim Kuhlenkampff, Sportübertragungen vom Tennis bis zum Fußball. Erneut trat dann seine künstlerische Ader zutage. Heinz wechselte seine Position hin zum Bildmischpult. Das ist eine ähnliche Arbeit wie ein Filmcutter, nur eben alles live. Auch dort alle großen Sendungen – vom Ohnsorg Theater bis zur aktuellen Schaubude. In seiner Position wurde er dann so langsam an die Bildregieaufgaben herangeführt. Als Regisseur Sportschau, Panorama , diverse Magazine. Danach feste Regiestelle bei ARD aktuell. Betreut die Tagesschau, Tagesthemen, Nachtmagazin, Wochenspiegel. Jahrelang war er auch für die Messen (Funkausstellung) zuständig. Heinz Bornemann ist inzwischen der Dienstälteste im Team, „Bambi“- Preisträger von 1989. Das Ganze läuft im Schichtdienst, fast rund um die Uhr. Langeweile kommt da nie auf; denn Heinz Bornemann weiß nie, was auf ihn zukommt. Trotz der häufig schlimmen Nachrichten, die gesendet werden müssen, ist der 59-jährige nicht zum Zyniker geworden. „Es geht einem trotz allem noch oft an die Nieren, wenn man zum Beispiel Bilder aus Enschede senden muß; denn alles, was es an Bildmaterial gibt, muten wir dem Zuschauer gar nicht zu. Man sieht so viele Dinge, dass man später schlecht abschalten kann.“ Das Team ist alles. Es gibt im Studio keine Stars. Das wissen auch die Sprecher. Auch sie erhalten Anweisungen von Heinz Bornemann. Er ist auch Ansprechpartner, wenn sich hoher Besuch ankündigt: Boris Jelzin, alle Kanzler und Präsidenten, Prinz Charles und Prinzessin Diana schauten ihm schon über die Schulter. Die rasend schnelle technische Entwicklung hat Heinz Bornemann nicht überrollt. Seine Freude an der Arbeit und seine Neugier an allem Neuen hat ihn auch die Computertechnik begreifen lassen. Wie das im Einzelnen alles geht, braucht er nicht zu wissen. Nur was geht. Um alles andere kümmern sich die Ingenieure. Bei aller Anspannung vor, während und nach den Sendungen kommt der Spaß nicht zu kurz. Das Team versteht sich, und bei lustigen Versprechern wird viel gelacht. Frau Berghoff: „Das WC-Turnier von Boris Becker...“ Das ist Heinz Bornemann heute. Und wie war er gestern? Vater im Krieg geblieben. Erziehung an der langen Leine. Von seiner Mutter hat er die Liebe zur Musik geerbt und das Dichten wohl von seiner Tante Erna Düx Bornemann, Heimatdichterin der Grafschaft. Er war nie besonders ehrgeizig, mogelte sich so durch die Schulzeit. Erst später beim NDR ist er ehrgeizig geworden: Konkurrenz belebt nach wie vor das Geschäft. Und so versucht Heinz Bornemann immer wieder, einer der Besten zu sein. Noch einige Jahre, dann sollen die jungen Leute ran. Auf diesen Unruhestand freut sich sicherlich ganz besonders seine Frau Heidetraud, mit der er seit 27 Jahren verheiratet ist. Tochter Inga arbeitet als Buchhändlerin. Seine beiden Frauen haben häufig auf ihn verzichten müssen. Die Weihnachts- und Osterfeste, die Feiertage und die Wochenenden die er im Dienst und nicht bei der Familie war, sind nicht zu zählen. Doch das hat die Familie eher noch enger zusammen geschweißt, wohl wissend, dass er sich seinem Job mit Haut und Haaren verschrieben hat. Der nach außen so verlässliche, pünktliche und aufgeschlossene Mann zeigt sich in der Familie „schwach“. Dort kann er sich herrlich gehen lassen und – wie ein richtiger Mann – auch mal weinen. Mit diesem Spannungsbogen lebt ein Mann, der sich als Glückskind bezeichnet: „Tolle Familie, interessanter Beruf, nie ernsthaft krank und 50 Jahre Frieden.“ Auf eigene Fehler reagiert er sauer. Fehler der Kollegen werden nach der Sendung besprochen. Und wirklich böse reagiert er, „wenn ich gegen zuviel Dummheit oder bürokratischen Unsinn anrennen muss.“ Die eng bemessene Freizeit wird mit der Familie in Ruhe verbracht, an der See oder im Harz. Der Beruf hat es mit sich gebracht, dass Heinz Bornemann kaum Freundschaften hat schließen können. Und bei den langen Spaziergängen denkt er oft an Bad Bentheim. An seinen Freund Heiko Bettin, mit dem er die meisten Streiche in Bentheim ausgeheckt hatte und der leider mit dem Motorrad, als er als Kapitän auf Heimaturlaub war, tödlich verunglückt ist. An seinen Schulfreund Hermann Foppe und an Anne Schulz, an seine Mutter, die ihm gezeigt hat, dass man auch ohne viel Geld mit Humor durchs Leben kommt: „Vom letzten Geld kaufen wir einen Kuchen; denn Brot kann man anschreiben lassen.“ Gern denkt er auch an die Klassentreffen zurück; denn sie waren keine „Angabeveranstaltung“. Von ihr lernte er auch, sich auf der „sicheren“ Seite zu bewegen. Das ist auch der Grund, warum er dem NDR fast 40 Jahre treu geblieben ist. Als freier Regisseur hätte er sicherlich enorm mehr verdient. Heinz Bornemann weiß, dass er zu wenig für seine Gesundheit tut. Er raucht zu viel. Auch mit dem Übergewicht hat er so seine Probleme. Er fährt lieber mit dem Auto als um die Alster zu joggen. Treu dem Churchill-Motto: „No sports.“ Der lebenslustige Regisseur, der den ironischen Humor so liebt (bei seinen Gedichten sind die Vorbilder Erhard, Busch oder Ringelnatz), bewegt sich gern in lustiger Gesellschaft, kann auch schon mal ausflippen, ist aber in keinem Fall nachtragend; denn: „Man muß den Haufen ja zusammen halten.“ Für Musik ist er immer zu haben. Je nach Stimmung Klassik, im Auto oder im Bad auch die neuesten Schlager und gerne auch Oldies aus seiner Zeit. An die Klassik hat ihn seine Familie herangeführt. Es wurde noch Hausmusik gemacht. Außerdem musste er das Klavier traktieren. Er ist jedoch auf diesem Gerät nie ein Künstler geworden, doch es reicht, um ein wenig Orgel zu spielen. Zum wirklich entspannten Lesen kommt er kaum. Viel Zeitungen, Computerzeitschriften, mal ein Buch vom Kollegen Wickert. Sehr zum Leidwesen seiner Tochter. Fördernde Kraft ist er dann, wenn es um den Nachwuchs geht, fordernde Kraft, wenn es um die Sendung geht. Denn er kann auf den Tod nicht leiden, wenn nicht jeder das gibt, was er kann und trotz des krisensicheren Jobs angesichts derart vieler Arbeitsloser noch an allem herummeckert. Ja, er gibt zu, nach so vielen Jahren doch wohl ein Stadtmensch geworden zu sein. Kein Partygänger, wohl aber einer, der großes Interesse an Theater, Konzert, Kleinkunst, Straßenfesten hat: „Das macht Laune.“ Der im Gespräch konzentrierte, aber nicht immer geduldige Mann geht schon mal dazwischen, wenn jemand zu weit ausholt. Einmal getroffene Entscheidungen setzt er nur dann um, wenn ihn keiner eines Besseren belehrt. „Mein Job ist Teamwork, jeder ein Spezialist, da kann ich meine Meinung nicht immer durchboxen. Sicher muss ich aber irgendwann Diskussionen abwürgen; denn die Sendung muss pünktlich anfangen.“ Ein „Macher“ also? Sicherlich! Aber die Strippen werden ganz offen im Vordergrund gezogen. Dabei versucht er, unbedingt ehrlich zu sein, auch wenn man aus taktischen oder was auch immer für Gründen nicht immer die Wahrheit sagen kann. Schade nur, dass die Freunde auf der Strecke geblieben sind. Aber viele, die ihn kennen, bezeichnen Heinz Bornemann als einen wirklichen Kumpel mit den berühmten Pferden. Er sieht sich selbst als zufriedenen Menschen, der – mit den kleinen rühmlichen Ausnahmen – alles so wieder machen würde. Was macht einer, der über Jahrzehnte hinweg im permanenten Stress gelebt hat, in einigen Jahren? „Man soll ja nicht zu viele Pläne machen, weil es meistens anders kommt. Aber wenn ich gesund bleibe, möchte ich mit meiner Frau noch viele schöne Reisen machen und am Stammtisch in Bentheim über die ach so guten alten Zeiten klönen. Werde darüber hinaus weiter meine Gedichte schreiben, mich vom Computer nerven und auch die Seele baumeln lassen. Wie gesagt, ich lasse es auf mich zukommen.“ Heinz Bornemann hat den Stammtisch in Bad Bentheim erwähnt: Wirklich viele würden sich freuen, ihn wieder mal dort anzutreffen. Wäre schön, sich mit dem Mann zu unterhalten, der die Nachrichten der Welt „regiert“. |
Weitere Berichte und Bilder siehe : Mein Beruf
© Heinz Bornemann